Konstanze Ehrmann/Rhein-Main.Net-Kritik, 2006

Auf der Suche nach dem Verstehen

Von Konstanze Ehrmann

Fremdsein hat viele verschiedene Facetten. Bei der Begegnung zwischen Deutschen und Emigranten aber auch zwischen Emigranten verschiedener Nationalitäten gibt es immer wieder Missverständnisse, die nur durch das gemeinsame Gespräch, das Kennenlernen und die Akzeptanz der Andersartigkeit gelöst werden können. Die iranische Regisseurin Niloofar Beyzaie baut dazu mit ihrem ersten deutschsprachigen Stück eine Brücke.

Das Ensemble, die freie Theatergruppe Daritsche, spielt in zwei Gruppen, die zwar getrennt sind, aber doch zusammengehören. Die drei Schauspielerinnen, Sükriye dönmez, Parvaneh Hamidi und Inaam Wali, agieren zumeist als Einheit und geben mal nüchterne Sachinformationen, mal den Ausdruck tiefer Gefühle wieder. Maria Piniella und Farhang Kassraei, die auch die Textgrundlage lieferten, spielen ein Paar – sie die Tochter von Immigranten und von Kindheit an in Deutschland, er als politischer Flüchtling erst als erwachsener Exilant aus dem Iran gekommen. Entsprechend der kollagenartigen Zusammensetzung der Szenen kommen die Gemeinsamkeiten, aber auch die individuellen Aspekte jeder der fünf Persölichkeiten zum Ausdruck. So wird die Trennung der beiden Gruppen – die drei Frauen agieren im Bühnenhintergrund, das Paar sitzt ganz vorne, fast in Berührung mit dem Publikum – immer wieder aufgehoben durch Bewegungssequenzen, bei denen die Individualität aller fünf Personen durch minimale Bewegungen, umfassende Gesten und auch fremdsprachige Monologe veranschaulicht wird.

Eine durch die aktuelle Medien-Diskussion hervorgehobene Szene stellt die Verschleierung der vier Frauen dar. Jede geht anders mit ihrem schwarzen Tuch um, das sich wie ein Schleier um sie legt und ihre Persönlichkeit verdeckt. Die eine scheint mit dem Schleier gut leben zu kِnnen, eine andere kämpft gegen das Tuch, eine andere nutzt den Schleier, um sich selbst vor der Aussenwelt zu schützen. Diese Szene wirkt besonders intensiv, sie versinnbildlicht, dass gerade die Hauptbetroffenen – die Frauen – im Islam nicht gefragt werden und ohne Hilfe von aussen allein mit ihrer Situation zurechtkommen müssen. Da helfen Brücken wie dieses Stück, aus der eigenen Bequemlichkeit aufzuwachen und die Realität zu erkennen, was in der Folge zu Verständnis und vielleicht auch zu aktiver Hilfe von aussen führen kann.

Auf jeden Fall ist der Besuch des Stückes „Fremd wie Du und Ich“ empfehlenswert für diejenigen, die sich ihre eigene Meinung nicht nur durch die Wiedergabe der subjektiven Medienwirklichkeit bilden. Die Inszenierung und die – zunächst ungewohnte – anschliessende Gesprächsrunde mit der Regisseurin und dem Ensemble decken weitere Facetten des Fremdseins auf.