Kritik zu „Fremd wie Du und Ich“ von Thomas Beckermann/ 2007
Einfach mal einlassen auf eine fremde WeltWie immer vor einer Theater-Vorstellung – neugieriges, leicht verstohlenes Umherschauen und Beäugen der anderen Besucher. Sind die anderen auch so gespannt? Oder eher gelangweilt? Oder von der Gattin mitgeschleppt, vielleicht gar Angehörige des Ensembles? Ausländer und Deutsche sitzen im Publikum, meistens mit einer Begleitung, so kann man noch ein wenig reden und sich hinterher austauschen. Lauter Fremde oder auch mal ein bekanntes Gesicht, jeder aber mit seiner eigenen Lebensgeschichte.
Bei „Fremd wie Du und Ich“ stellt uns Regisseurin Niloofar Beyzaie fünf weitere Fremde vor. Die Dramaturgin, die selbst für Licht und Ton verantwortlich zeichnet, ist Exil-Iranerin und hat nun ihr erstes deutschsprachiges Stück auf die Bühne gebracht. In der ersten Szene sehen wir die fünf Darstellerinnen, wie sie unsicher über die Bühne irren – jeder für sich allein,ängstlich und mehr in der Vergangenheit verhaftet als mit Blick auf die Zukunft. Die unvermeidlichen Berührungen mit anderen „Fremden“ erschrecken, man schaut ängstlich und sucht dann weiter seinen eigenen verschlungenen Weg. Die orientalische Musik von Reza Nowrooz Baigi schafft eine Atmosphäre, bei der sich auch das Publikum fremd fühlt und in die Welt der Darsteller mit aufgenommen wird.
Die beiden Hauptdarsteller, Maria Piniella – impulsiv und wortgewaltig – und Farhang Kassraei – etwas zurückhaltend und ängstlich – lernen sich in der ersten Szene kennen. Den Dialog über das Fremdsein unterbricht die Regisseurin immer wieder durch kollagenartige Szenen. Hier bricht die sequentielle Handlung auf, die Schauspieler sprechen, jeder in seiner Sprache, durcheinander und nutzen die ganze Bühne für ihr individuelles und doch gemeinsames Spiel. Es ist eine Liebesgeschichte mit offenem Ende; deutlich wird, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, bevor er sich in einer Beziehung auf den anderen einlassen kann. In den Kollagen bricht auch die Einheit der drei Schauspielerinnen im Hintergrund (Sükriye Dönmez (Türkei), Parvaneh
Hamidi (Iran), und Inaam Wali (Irak)) auf, leider erfährt man über den gemeinsamen Emigrationshintergrund hinaus nur wenig über die Einzelschicksale.
Nach dem Stück entsteht im Foyer des Theaters noch eine lebhafte Diskussionsrunde, in der über das gemeinsam Erlebte und die Aktualität des Stückes gesprochen wird. Genau das ist im Sinne der Daritschen, uns aus der Apathie und Eigenbrödlerei herauszuholen und den Blick zu öffnen für das
Fremde, das bei näherem Betrachten doch viele Parallelen zum eigenen Leben bietet. Es lohnt also, zu warten und sich selbst mit dem Stück am 21.Januar 2007 im Internationalen Theater Frankfurt auseinanderzusetzen.