Algemeine Zeitung/11.11.04
Balancieren an den Abgründen des Lebens
Persisch-deutsches Theaterprojekt “Die blinde Eule” von Sadeq Hedayats in den Kammerspielen“Die einzig wirksame Medizin ist das Vergessen”. Der Grundton in Sadeq Hedayats“Die blinde Eule” ist pessimistisch, dunkel. Hedayat gilt als Mitbegründer der modernen persischen Literatur und ist einer der wichtigsten iranischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Sein novellistischer Roman “Die blinde Eule” ist irgendwo zwischen Leben und Tod angesiedelt, surrealistische Züge sind leicht auszumachen.
In einem persisch-deutschen Theaterprojekt haben Niloofar Beyzaie und Tom Peifer das Buch jetzt in den Kammerspielen inszeniert.
Es ist vor allem ein Spiel mit Licht und Schatten, das die beiden Regisseure auf die Bühne gebracht haben. Als Hauptperson tritt ein desillusionierter Maler (Farhang Kassraie) auf, der Schreibetuis mit einem immer gleichen Motiv verziert. Seine Gedanken kreisen einem Strudel gleich um ihn selbst, er ist egozentrisch, wird wie von einem Sog in seine eigene Welt gezogen, wo ihm ein alter Mann (Manouchehr Radin) und ein Mädchen (Hermin Eshghi) begegnen.
Wo in dieser Collage die Wirklichkeit aufhört, der Traum anfängt, vermag man nicht zu sagen. Er ist Protagonist seiner Innenansicht, ein Wandler zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Fantasie und Realität, der an den Abgründen des Lebens balanciert.
Zweisprachig inszeniert, dominierte bei diesem interkulturellen Theaterprojekt das Persische im eigentlichen Spiel, vor oder nach den einzelnen Szenen trugen Sprecher (Felix Pielmeier, Maria Piniella, Ralph Lewerenz) den deutschen Text vor.Teils zeitgleich, teils versetzt lesend, erzeugten sie stellenweise eine Art Nachhall des Gesprochenen. Dies unterstrich zwar einmal mehr die Egozentrik des Protagonisten, der, erschwerte für die Zuschauer aber das ohnehin nicht einfache Verständnis. Zudem ließen sich längere Monologszenen auf Persisch, die zunächst unübersetzt oder unkommentiert blieben, allein durch das Spiel nicht vollständig erschließen. Für all jene, die des Persischen nicht mächtig waren, bedeutete dies ein Herausgerissen werden aus dem Stück. Ein Abgleiten in die eigene Gedankenwelt blieb da nicht aus.